Auswirkungen der Wertgrenzenerhöhung für Direktaufträge nach § 14 UVgO auf die nachhaltige Beschaffung
Nachdem die Wertgrenze für Direktaufträge der Bundesverwaltung von 1.000 Euro auf 15.000 Euro erhöht wurde, [1] stellt sich die Frage, ob nunmehr bei Beschaffungen bis zu diesem Auftragswert auf die Einbindung von Nachhaltigkeitskriterien verzichtet werden kann, oder im Gegenteil diese sogar ganz besonders berücksichtigt werden können.
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In der Vorschrift des § 14 UVgO ist geregelt, dass Leistungen, die voraussichtlich einen Auftragswert von 1.000 Euro nicht überschreiten, ausnahmsweise ohne Durchführung eines Vergabeverfahren direkt beauftragt werden dürfen. Dem öffentlichen Auftraggeber soll so ein unverhältnismäßiger Aufwand bei niedrigvolumigen Beschaffungen erspart werden. Mit dem Ziel einer weiteren Erleichterung wurde diese Grenze auf nunmehr 15.000 Euro angehoben.
Der Verzicht auf ein Vergabeverfahren bedeutet jedoch nicht den Verzicht auf Nachhaltigkeitskriterien. Die Vereinfachung wird lediglich dadurch erreicht, dass Vergabestellen Aufträge vergeben können, ohne den Aufwand eines förmlichen Vergabeverfahrens betreiben zu müssen. Im Gegenteil: Auf Bundesebene setzt das Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit der Bundesregierung den Maßstab, indem es allen Behörden der Bundesverwaltung vorschreibt, das Verwaltungshandeln - und als konkrete Maßnahme - auch die öffentliche Beschaffung am Leitprinzip einer nachhaltigen Entwicklung auszurichten. Die Änderung der Wertgrenzen für Direktaufträge hat hieran nichts geändert.
Weiterhin ist zu beachten, dass eine Reihe weiterer Vorschriften auch unterhalb der Schwelle von 15.000 Euro die Beachtung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung explizit anordnen:
- § 45 KrWG normiert für Behörden des Bundes die Pflicht, bei Beschaffungen umweltfreundlichen Erzeugnissen den Vorzug zu geben, wenn keine unzumutbaren Mehrkosten entstehen.
- Das Ziel des Klimaschutzgesetzes, eine klimaneutrale Bundesverwaltung zu erreichen (§ 15 KSG ) wie auch das in § 13 KSG normierte Berücksichtigungsgebot gelten ebenfalls fort.
- Bei der Beschaffung von Holzprodukten ist im Leitfaden zum Holzerlass ein Wert von 2.000 Euro als Betrag angegeben, ab welchem der Nachhaltigkeitsnachweis erforderlich ist.
- Eine Übersicht der Inhalte zum Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit (BReg) 2021, dem Kreislaufwirtschaftsgesetz sowie dem Klimaschutzgesetz sind über folgenden Link zu finden: https://www.nachhaltige-beschaffung.info/DE/Themen/2_41_Regelungen/2_41_Regelungen_node.html
Die Anhebung der Wertgrenze kann als gute Gelegenheit gesehen werden, die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien einfacher zu gestalten. Öffentliche Auftraggeber haben nämlich hierdurch die Möglichkeit, bis zu einem Auftragswert von 15.000 Euro ohne größere Aufwände (unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit) Unternehmen auszuwählen, die nachhaltige Kriterien erfüllen oder besonders nachhaltige Produkte zu beauftragen. Dabei soll zwischen den beauftragten Unternehmen gewechselt werden.
Nachfolgend ein paar Tipps für die praktische Umsetzung:
Produktbezogene Tipps
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- Beim Bedarf beginnts! Prüfen Sie vor der Direktvergabe, ob das Produkt neu beschafft werden muss oder eventuell ein gebrauchtes Produkt oder Leasing bzw. Miete eine passende Alternative sind. Gerade bei Direktaufträgen können erste Erfahrungen in diesem Zusammenhang gemacht werden und somit die Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes beachtet werden.
- Der „Leitfaden zur Nachhaltigen Beschaffung“* der Freien und Hansestadt Hamburg bietet Ihnen im Anhang I eine Übersicht über die ökologischen und sozialen Herausforderungen sowie Informationen und Vorgaben für die Bedarfsanalyse von 16 Produktgruppen. Hier erhalten Sie eine schnelle Übersicht, die auch für Direktaufträge hilfreich ist. Den Leitfaden finden Sie über folgenden Link: https://www.hamburg.de/resource/blob/1004004/3a8cde67191250dea241c13835ba7e2e/d-nachhaltigkeitsleitfaden-data.pdf
- Des Weiteren bietet die „Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt“ (VwVBU)* des Landes Berlin eine gute Orientierung für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit. (https://www.berlin.de/nachhaltige-beschaffung/recht/)
Gütezeichen als Nachweismöglichkeit für ökologische und soziale Aspekte sind naheliegende Möglichkeiten der öffentlichen Hand für die Überprüfung der geforderten Nachhaltigkeitskriterien.
- Zur Orientierung für die Nutzung von Gütezeichen bietet das Schulungsskript des Umweltbundesamtes einen guten Überblick. Das Schulungsskript ist über folgenden Link zu finden: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltfreundliche-beschaffung-schulungsskript-3.
- Zur Verfügbarkeit bzw. für hilfreiches Hintergrundwissen von Gütezeichen bietet sich der Gütezeichenfinder vom Kompass Nachhaltigkeit an: https://www.kompass-nachhaltigkeit.de/guetezeichenfinder
- Die Produktgruppenblätter der KNB können ergänzend eine Orientierung zu möglichen Gütezeichen für die jeweiligen Produktgruppen bieten. Die Produktgruppenblätter sind über folgenden Link zu finden: https://www.nachhaltige-beschaffung.info/DE/Produktgruppen/produktgruppen_node.html
- Bei sensiblen Produktgruppen sollte auf die Einhaltung sozialer Kriterien geachtet werden, da hier ein besonderes Risiko für Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen besteht. Gütezeichen können die Komplexität der Nachweiserbringung über die Einhaltung sozialer und ökologischer Kriterien (z.B. Kriterien des Fairen Handels oder Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen) reduzieren. Zu den sensiblen Produktgruppen zählen im Allgemeinen: Holz und Holzprodukte, IT-Hardware, Lebensmittel, Lederwaren, Natursteine, Schnittblumen, Spiel- und Sportwaren, Textilien.
- Zur Berücksichtigung von energieeffizienten Produkten finden Sie über die europäische Produktdatenbank EPREL eine Übersicht aller Produktgruppen mit der Energieverbrauchskennzeichnung. Für Unternehmen besteht die Verpflichtung, ein korrektes Label beim Inverkehrbringen auf dem europäischen Markt beizulegen sowie die Eintragung in die Datenbank EPREL. Informationen zur EU-Energieverbrauchskennzeichnung können Sie in der Dokumentation zum Fachtag „Produktkennzeichnung“ nachlesen. Die Datenbank ist über folgenden Link zu finden: https://eprel.ec.europa.eu/screen/home
- Für eine nachhaltige Beschaffung sind bestimmte Produkteigenschaften wichtig, die eine längere Nutzung ermöglichen. Hier wäre es z.B. wichtig, auf Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Wiederverwendbarkeit oder Recyclingfähigkeit zu achten. Einige Gütezeichen decken diese Eigenschaften bereits ab.
- Verpackungen sind ein relevanter Nachhaltigkeitsaspekt bei den meisten Produkten. Der Markt für Mehrwegsysteme /-verpackungen nimmt zu, so dass im Rahmen von Direktaufträgen erste Erfahrungen gesammelt werden können. Für einige Produktbereiche gibt es bereits auch den Blauen Engel, z.B. für Lebensmittel und Getränke oder Transportverpackungen.
- Bei Produkten, die aus mehreren Komponenten/Materialien bestehen, sollte darauf geachtet werden, dass diese leicht zerlegbar sind. Somit können einzelne Teile ausgetauscht bzw. nachgefüllt werden.
- Der Markt für nachwachsende Rohstoffe wächst stetig. Somit ist eine weitere Option, Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen anstatt aus Kunststoff zu beauftragen. Die FNR bietet auf Ihrer Website hierzu viele Informationen: https://einkauf.fnr. https://einkauf.fnr.de/guetezeicde/guetezeichen-finder.
- Neben zertifizierten Produkten mit sozialen Kriterien (s.o.) kann auch auf Produkte mit Sozial- oder Inklusionswert geachtet werden.
- Der Einkauf bei regionalen Anbietern kann nachhaltiger sein, z.B. durch kurze Lieferwege oder faire Arbeitsbedingungen. Bei Lebensmitteln bietet die Kombination aus regionalen und saisonalen Lebensmitteln Vorteile für die Schonung natürlicher Ressourcen.
* Die genannten Leitfäden und Hinweise dienen zur Orientierung und sind keine abschließende Aufzählung.
Unternehmensbezogene Tipps
- Viele Produkte aus dem Verwaltungsalltag werden von Inklusionsunternehmen oder Werkstätten für Menschen mit Behinderung angeboten. Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht jährlich ein Verzeichnis anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen und ermöglicht somit eine schnelle Übersicht der dort angebotenen Produktvielfalt. Das Verzeichnis ist über folgenden Link zu finden: https://www.rehadat-wfbm.de/werkstaetten-finden/werkstaettenverzeichnis. Unter dem nachfolgenden Link findet man zudem ein Verzeichnis für Inklusionsunternehmen in Deutschland: https://www.rehadat.de/mediathek/verzeichnisse/#headline-ac_14ae77b6-1-2 .
- Eine weitere Möglichkeit ist die Beauftragung von Unternehmen mit einem Umweltmanagementsystem, z.B. EMAS. Das EMAS-Register ist dafür eine hilfreiche Recherche-Datenbank (https://www.emas-register.de/) und die Broschüre des UBA eine gute Orientierung (https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/emas-in-der-oeffentlichen-beschaffung)
Das Thema Direktaufträge wird künftig noch weiter Relevanz erhalten. Sobald uns neue Informationen vorliegen oder sich Neuigkeiten ergeben, werden wir diese über unsere Webplattform zur Verfügung stellen. Für konkrete Fragen oder Anregungen können Sie sich jederzeit an die KNB (nachhaltigkeit@bescha.bund.de) wenden. Wir würden uns auch über erste Erfahrungen und Beispiele aus Ihrer Beschaffungspraxis freuen.
[1] Bekanntmachung der Abweichenden Verwaltungsvorschriften zur Vereinfachung der Vergabe von niedrigvolumigen öffentlichen Aufträgen im Unterschwellenbereich