Navigation und Service

Vergaberecht und Nachhaltigkeit

Die Regelungen des Vergaberechtes bilden den Rahmen für Ihre Beschaffung. Dieser Rahmen legt fest, welche Nachhaltigkeitsaspekte Sie auf welche Art und Weise in Ihre Beschaffung einfließen lassen können. Das europäische Vergaberecht für Vergaben oberhalb der einschlägigen Schwellenwerte wurde 2014 reformiert und die Novelle mit dem 18. April 2016 in Kraft gesetzt. Dieser neue Rahmen bestimmt auch, welche Nachhaltigkeitsaspekte Sie auf welche Art und Weise in Ihre Beschaffung einfließen lassen können.
Im Folgenden wollen wir Ihnen die Möglichkeiten aufzeigen, die Ihnen das neue Vergaberecht für die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Beschaffung im Unter- und Oberschwellenbereich bietet. Darüber hinaus stellen wir Ihnen Informationen und Links zum Thema gesammelt zur Verfügung.

Stand: 18. Oktober 2017

Nachhaltige Aspekte im neuen Vergabereglement

Die Regelungen des Vergaberechtes bilden den Rahmen für Ihre Beschaffung. Dieser Rahmen legt fest, welche Nachhaltigkeitsaspekte Sie auf welche Art und Weise in Ihre Beschaffung einfließen lassen können. Das europäische Vergaberecht für Vergaben oberhalb der einschlägigen Schwellenwerte wurde 2014 reformiert und die Novelle mit dem 18. April 2016 in Kraft gesetzt. Für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte hat der Verordnungsgeber nun die Gelegenheit genutzt, mit der neuen Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) einen Gleichklang zu GWB und Vergabeverordnung (VgV) zu schaffen, der auch die Reformen im Bereich Nachhaltigkeit berücksichtigt.

Im Folgenden wollen wir Ihnen die Möglichkeiten aufzeigen, die Ihnen das neue Vergaberecht für die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Beschaffung im Unter- und Oberschwellenbereich bietet. Darüber hinaus stellen wir Ihnen Informationen und Links zum Thema gesammelt zur Verfügung.

Nachhaltigkeitsaspekte im Vergaberechtsregime

Grundsätze

Das öffentliche Auftragswesen beträgt etwa 18 % des europäischen BIPs (rd. 2,6 Billionen Euro). Dabei werden nur 2 bis 5 % der Aufträge (allerdings mit rund 20 % des Gesamtauftragsvolumens) EU-weit ausgeschrieben [1]. Der Großteil der Verfahren bestimmt sich nach nationalem Vergaberecht. In Deutschland geben öffentliche Auftraggeber wie Bund, Länder und Kommunen jährlich zwischen 260 und 480 Milliarden Euro für die Beschaffung von Bau-, Dienst- und Lieferleistungen aus. Damit können öffentliche Auftraggeber ihre Beschaffungen als Hebel nutzen, um ausgewählte gesellschaftliche Ziele zu erreichen. Zu diesen so genannten strategischen Zielen zählen unter anderem die Ziele der Nachhaltigkeit.

So heißt es in der Vorlage zur Vergaberechtsmodernisierung (BT-Drucksache 18/7318 v. 20.01.2016):

„Die Vergabeverfahren sollen effizienter, einfacher und flexibler gestaltet und die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) an Vergabeverfahren soll erleichtert werden. Gleichzeitig ermöglicht es der neue Rechtsrahmen den Vergabestellen, die öffentliche Auftragsvergabe stärker zur Unterstützung strategischer Ziele zu nutzen. Dazu gehören vor allem soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte. Dies kommt gerade Unternehmen zugute, die ihrer Verantwortung bis hinein in die Produktions- und Lieferketten nachkommen, und setzt Anreize für Unternehmen, internationale Standards zur Unternehmensverantwortung einzuhalten (z. B. die ILO-Kernarbeitsnormen, ILO – Internationale Arbeitsorganisation).“

Im Weiteren finden Sie die wichtigsten Anknüpfungspunkte der nachhaltigen Beschaffung im neuen GWB, in der VgV und in der UVgO.

Im GWB werden nachhaltige Aspekte in verschiedenen Vorschriften erwähnt: Bei den Grundsätzen (§ 97), bei den Ausschlussgründen im Rahmen der Eignung (§ 124), bei der Festlegung von Zuschlagskriterien (§ 127) und bei den Auftragsausführungsbestimmungen (§ 128) spielen umweltbezogene und soziale Aspekte eine Rolle. Die VgV konkretisiert die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien nochmals für das Verfahren zur Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen: Im Bereich der Leistungsbeschreibung, der Zuschlags - und der Eignungskriterien, aber auch etwa in Bezug auf die Nachweisführung durch Gütezeichen finden sich hier Regelungen. Viele dieser Regelungen sind für den Unterschwellenbereich in die neue UVgO übernommen worden.

o   § 97 GWB / § 2 UVgO führen die Grundsätze des Vergaberechts auf. Die Berücksichtigung von Qualität, Innovation sowie sozialer und umweltbezogener Aspekte hat dort neben den klassischen vergaberechtlichen Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit, Transparenz, Gleichbehandlung, Berücksichtigung von Mittelstandsinteressen und der elektronischen Vergabe Eingang gefunden. Dies bedeutet, dass diese Aspekte in jeder Phase eines Vergabeverfahrens einbezogen werden können: von der Bedarfsermittlung über die Definition der Leistung und die Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien bis hin zur Vorgabe von Ausführungsbedingungen. Diese umfassende Verortung von Nachhaltigkeitsaspekten zeigt deutlich die Stärkung des Themas Nachhaltigkeit durch die Vergaberechtsreform.

[1] Vgl. Rechten/Röbke, „Basiswissen Vergaberecht“, 2. Auflage 2017, S. 23.

Eignung

Im Rahmen der Eignungsprüfung berücksichtigt der neue § 124 GWB - der über § 31 Abs. 1 UVgO auch entsprechend im Unterschwellenbereich anwendbar ist - soziale und ökologische Aspekte, indem er bestimmt, dass Unternehmen von der weiteren Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden können, wenn sie

  • bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen haben, … (Nr. 1),
  • eine wesentliche Anforderung (etwa eine ökologische oder soziale Auftragsausführungsbestimmung nach § 128 GWB) bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt haben und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu vergleichbaren Rechtsfolgen geführt hat (Nr. 7),
  • in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen oder Auskünfte zurückgehalten haben oder nicht in der Lage sind, die erforderlichen Nachweise zu übermitteln, … (Nr. 8),
  • fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt haben, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten, oder versucht haben, solche Informationen zu übermitteln. (Nr. 9c).

Im Rahmen der UVgO gibt es dabei eine - insbesondere für den Bereich der Nachhaltigkeit erhebliche - Erleichterung: Gem. § 31 Abs. 2 S. 5 UVgO liegt ein fakultativer Ausschlussgrund nach Nr. 7 auch dann vor, wenn die mangelhafte Vertragserfüllung weder zu einer vorzeitigen Beendigung des Vertrags, noch zu Schadensersatz oder einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat. Diese nur durch eine konsequente Rechtsverfolgung herzustellenden Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 124 GWB bei Verletzung einer Auftragsausführungsbestimmung im Oberschwellenbereich sind nämlich für den öffentlichen Auftraggeber oft eine unzumutbare Hürde.

Streitig und letztlich von der Rechtsprechung noch nicht entschieden ist die Frage, ob zu den geltenden umwelt-, sozial oder arbeitsrechtlichen Verpflichtungen des § 124 Abs. 1 Nr. 1 GWB auch internationalen Übereinkommen des Anhangs X der Richtlinie 2014/24/EU zählen (u.a. die ILO-Kernarbeitsnormen). Nach einer Ansicht[2] ergibt sich dies aus einer richtlinienkonformen Auslegung des Art. 18 Abs. 2 der RL 2014/24/EU. Das deutsche Vergaberecht sei in diesem Punkt defizitär umgesetzt worden und sei daher bei der Anwendung zu korrigieren. Nach a.A.[3] findet Art. 18 Abs. 2 der RL nur im Rahmen der Auslegung des § 128 Abs. 1 GWB Anwendung: Adressat der Abkommen in Anhang X der RL seien die öffentlichen Auftraggeber bzw. die Vertragsstaaten und nicht die Unternehmen. Daher könnten sie nicht unmittelbar diesen gegenüber Anwendung finden sondern nur über die jeweilige nationalstaatliche Umsetzung. Bis zu einer gerichtlichen Klärung bleibt diese Frage offen.

Der öffentliche Auftraggeber muss die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen der Ausschlussgründe nachweisen. Ist der Verstoß nachgewiesen und hat ein betroffenes Unternehmen keine ausreichenden Maßnahmen zur Selbstreinigung nach §125 GWB ergriffen, darf es gem. § 126 Nr.2 für einen Zeitraum von drei Jahren ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

Im Rahmen der VgV ermöglicht § 49 die Forderung nach bestimmten Systemen oder Normen des Umweltmanagements und stellt dabei vor allem (aber nicht ausschließlich) auf das Umweltmanagementsystem EMAS ab. Andere Umweltmanagementsystem dürfen nur gefordert werden, soweit sie von der Europäischen Kommission anerkannte bzw. von akkreditierten Stellen zertifizierte Umweltmanagementsysteme, insbesondere die ISO 14001. Zu erwarten ist eine solche Anerkennung derzeit für das norwegische „Eco-Lighthouse“- System.

Achtung: eine entsprechende Anwendung von § 49 VgV ist zwar für die UVgO nicht vorgesehen, dies liegt allerdings daran, dass im Rahmen der UVgO für den Nachweis der Eignungskriterien - anders als im Rahmen der VgV - kein abschließender Nachweiskatalog beachtet werden muss. Der öffentliche Auftraggeber kann also auch im unterschwelligen Bereich die Einhaltung eines Umweltmanagementsystems verlangen kann, wobei er nicht auf die engen Voraussetzungen des § 49 VgV (EMAS oder vergleichbar) beschränkt ist. Unabhängig davon müssen die Eignungskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, so dass die nachweisliche Berücksichtigung eines Umweltmanagementsystems nur dann verlangt werden kann, wenn der Auftrag mit erheblichen Umweltauswirkungen verbunden ist.

[2] Ziekow im Vortrag am 08.06.2017; Hausmann/vonHoff in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, § 124 Rn 6 ff.
[3] Opitz in Beck’scher Vergaberechtskommentar, § 124 Rn 22f.

Leistungsbeschreibung

Erstmalig werden in der VgV nachhaltige Aspekte der Beschaffung benannt. § 31 (Leistungsbeschreibung) (entspricht § 23 UVgO) legt fest, auf welche Art und Weise die zu beschaffende Leistung beschrieben werden kann. Gemäß § 31 Abs 3 VgV / § 23 Abs. 2 UVgO darf der Leistungsgegenstand auch mit Merkmalen beschrieben werden, die Aspekte der Qualität, der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen. Dabei darf sich die Auswahl der Merkmale auf den gesamten Lebenszyklus (d.h. unter anderem auf den Prozess oder die Methode der Herstellung oder Erbringung der Leistung, auf die Produktions- und Lieferkette) beziehen, auch wenn derartige Merkmale kein materieller Bestandteil der Leistung sind. Die Merkmale müssen jedoch ebenfalls mit der Leistung in Verbindung stehen und in Bezug zu Wert und Beschaffungszielen verhältnismäßig sein. § 31 VgV geht mit seiner Regelung dabei über den (ausdrücklichen) Regelungsinhalt des (entsprechenden) § 121 GWB hinaus: Dort wird als einziges „soziales“ Merkmal die Barrierefreiheit (als zwingende Mindestvoraussetzung) vorgeschrieben.

Zuschlag und Lebenszykluskosten

127 GWB / § 58 VgV / § 43 UVgO behandeln die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots und die Zuschlagserteilung. Auch hier wurden Nachhaltigkeitsaspekte einbezogen: Neben dem Preis können zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots „auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.“
Wie auch schon bisher müssen die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Allerdings wird in § 127 Absatz 3 GWB / § 43 UVgO im Detail darauf hingewiesen, dass diese Verbindung auch dann anzunehmen ist, wenn es sich um die Bereiche der Herstellung, Bereitstellung, Entsorgung, auf den Handel oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus des Auftragsgegenstands bezieht. Dies gilt - genauso wie im Rahmen der Leistungsmerkmale - auch, wenn die als Zuschlagskriterium berücksichtigten Aspekte keine Auswirkungen auf seine materiellen Eigenschaften haben.

Künftig kann somit auf dieser Grundlage ein zu beschaffendes Produkt, das etwa aus fairem Handel (z. B. durch die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen entlang der Produktions- und Lieferkette) stammt, im Rahmen der Zuschlagswertung mit einer höheren Punktezahl versehen werden als ein konventionell gehandeltes Produkt.

Wichtig für öffentliche Auftraggeber: Im Regelfall erfolgt die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots über eine wettbewerbliche Bewertung der Angebote anhand eines Preis-Leistungsverhältnisses. Die Zuschlagskriterien vom öffentlichen Auftraggeber sind mit einer Wertungsskala zu versehen und Kriterien für die Beurteilung im Rahmen dieser Wertungsskala festzulegen. § 127 Abs. 5 GWB / 43 Abs. 6 UVgO legt fest, dass Zuschlagkriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen.

Soweit die Kosten als Zuschlagskriterium verwendet werden, darf der öffentliche Auftraggeber vorgeben, dass der Berechnung die Lebenszykluskosten der Leistung zu Grunde gelegt werden, § 59 Abs. 1 VgV. Wie dies zu geschehen hat, ist detailliert in § 59 VgV geregelt. § 59 VgV gilt über § 43 Abs. 4 UVgO auch im Unterschwellenbereich.

Lebenszykluskosten waren im alten Vergabereglement nur sporadisch zu finden. Die neue Vergabeverordnung behandelt das Thema nun ausführlich. Wenn der öffentliche Auftraggeber sich auf die Lebenszykluskosten beziehen möchte, muss er dies in den Vergabeunterlagen vorgeben. Zudem muss er die zur Berechnung erforderliche Methode und die dazu notwendigen Informationen, die das Unternehmen bereitstellen muss, angeben. Die Berechnungsmethode muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

Sie beruht (1)auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien, sie ist (2) für alle interessierten Beteiligten zugänglich und (3) Unternehmen, die ihrer Sorgfaltspflicht im üblichen Maße nachkommen, können die erforderlichen Informationen mit angemessenem Aufwand bereitstellen.

Mögliche Bestandteile der Lebenszykluskosten sind gem. § 59 Abs. 2 VgV: Anschaffungskosten, Nutzungskosten (insbesondere Energie- und Ressourcenverbrauch betreffend), Wartungskosten und Kosten am Ende der Nutzungsdauer (insbesondere Abholungs-, Entsorgungs- oder Recyclingkosten). Aus der Nachhaltigkeitssicht hervorzuheben sind Kosten, die durch externe Effekte der Umweltbelastung entstehen. Auch diese können im Rahmen der Ausschreibung bewertet werden. Allerdings müssen sie mit der Leistung während ihres Lebenszyklus in Verbindung stehen und die weiteren Voraussetzungen des § 59 Abs. 3 VgV erfüllen. Neben sonstigen Kosten für die Eindämmung des Klimawandels werden als Beispiele insbesondere Emissionen von Treibhausgasen und anderen Schadstoffen benannt:

Auftragsausführungsbestimmungen

Auch für die Zeit nach der Zuschlagserteilung kann der öffentliche Auftraggeber Unternehmen verpflichten, nachhaltige Aspekte bei der Auftragsdurchführung zu beachten. Genaueres wird in § 128 Abs. 2 GWB i.V.m. § 61 VgV (gilt über 45 UVgO auch im Rahmen der UVgO) geregelt. Wie auch bei den Zuschlagskriterien müssen die ausgewählten Aspekte mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen benannt werden. Anders als bei den Zuschlagskriterien erfolgt bei den Auftragsausführungsbedingungen keine (Auf- oder Ab-) Wertung des Angebots: Kann oder will der Bieter die festgelegten Bedingungen nicht beachten, ist das Angebot nicht zuschlagsfähig. Verletzt der Auftragnehmer die vertraglich festgehaltenen Bedingungen während der Vertragslaufzeit, liegt eine Vertragsverletzung vor. Als Folge können rechtliche Sanktionen in Betracht kommen.

Nachweisführung durch Gütezeichen

Eine wichtige Neuerung, der Vergaberechtsreform ist die Regelung der Nachweisführung durch Gütezeichen. Die Nachweisführung durch Gütezeichen ist für alle Wertungsstufen (Leistungsmerkmale, Zuschlagskriterien, Auftragsausführungsbestimmungen) im Ober- und Unterschwellenbereich über die §§ 34, 58 Abs. 4 und 61 VgV und § 24, 43 Abs. 7 und 45 Abs. 3 möglich.

Öffentliche Auftraggeber können aufgrund von § 34 VgV (Nachweisführung durch Gütezeichen) die Vorlage solcher Zeichen verlangen, die als Beleg für die in der Leistungsbeschreibung geforderten Merkmale gelten. Das Gütezeichen muss verschiedenen Bedingungen genügen. Dazu gehört unter anderem, dass es für die Bestimmung der Merkmale der Leistung geeignet ist und nach § 31 (3) VgV mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung steht. Die Kriterien des Gütezeichens müssen objektiv nachprüfbar und nicht diskriminierend sein. Aus den Bedingungen geht hervor, dass davon ausgegangen werden kann, dass Gütezeichen der EU und auch nationale Gütezeichen diese Bedingungen erfüllen. Hierzu gehören das EU Ecolabel, der Blaue Engel, das Österreichische Umweltzeichen und auch das Nordische Umweltzeichen/„Nordic Swan“ (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

§ 34 dient der Umsetzung von Artikel 43 der Richtlinie 2014/24/EU. Mit der Richtlinie wird die Möglichkeit der Nachweisführung durch Gütezeichen erstmalig ausdrücklich eingeführt und die sog. "Max-Havelaar-Rechtsprechung" des EuGH in Teilen kodifiziert. Da der öffentliche Auftraggeber den Wettbewerb durch die zwingende Vorgabe bestimmter Gütezeichen erheblich einschränken kann, knüpft Artikel 43 der Richtlinie 2014/24/EU an deren Verwendung strenge Voraussetzungen. Diese Voraussetzungen sind in § 34 nachgebildet.

(1) Es müssen ausnahmslos alle Anforderungen des Gütezeichens für die Bestimmung der Leistung geeignet sein und mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, (2) die Anforderungen an das Gütezeichen müssen auf objektiven nachprüfbaren und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, (3) das Gütezeichen ist im Rahmen eines offenen und transparenten Verfahrens eingeführt worden, an dem alle relevanten, interessierten Kreise wie staatliche Stellen, Verbraucher, Sozialpartner, Hersteller, Händler und Nichtregierungsorganisationen teilnehmen konnten und (4) das Gütezeichen und seine Anforderungen sind allen Betroffenen zugänglich, etwa durch die Veröffentlichung der Anforderungen im Internet. Letztlich müssen die Anforderungen an die Gütezeichen (5) von einem Dritten festgelegt worden sein, auf den das das Gütezeichen beantragende Unternehmen keinen maßgeblichen Einfluss ausüben kann.

Sind nicht alle Kriterienanforderungen eines Gütezeichens zu berücksichtigen, sind die einzelnen einzuhaltenden Kriterien durch den öffentlichen Auftraggeber anzugeben.

Wichtig: Der öffentliche Auftraggeber muss auch andere Gütezeichen akzeptieren, wenn sie gleichwertige Anforderungen an die Leistung stellen, § 34 Abs. 4 VgV. Nach § 34 Abs. 5 VgV muss ein öffentlicher Auftraggeber auch andere Belege als die geforderten Gütezeichen akzeptieren, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nachweislich keine Möglichkeit hatte, das vom öffentlichen Auftraggeber geforderte oder ein gleichwertiges Gütezeichen innerhalb einer angemessenen Fristen zu erlangen. Der Wirtschaftsteilnehmer muss jedoch nachweisen, dass die von ihm zu erbringende Leistung die Anforderungen des geforderten Gütezeichens oder die vom öffentlichen Auftraggeber angegebenen spezifischen Anforderungen erfüllt. Eine reine Eigenerklärung des Bieters, die die - nicht weiter belegte - Versicherung enthält, die angebotene Leistung entspräche den Kriterien des Gütezeichens, ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht als ausreichend anzusehen.

§ 24 UVgO Entspricht im Wesentlichen § 34 VgV. Wesentlicher Unterschied zu der entsprechenden (engeren) Oberschwellenregelung ist jedoch, dass nach Nummer 1 nicht alle Anforderungen des Gütezeichens mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen müssen. Hier müssen die Kriterien des Gütezeichens für die Bestimmung der Merkmale der Leistung (lediglich) geeignet sein. Öffentliche Auftraggeber können Gütezeichen im Unterschwellenbereich damit leichter vorgeben.

Beschaffung energieverbrauchsrelevanter
Leistungen und von Straßenfahrzeugen

Der Abschnitt IV „Besondere Vorschriften für die Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Leistungen und von Straßenfahrzeugen“ beinhaltet mit den § 67 Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Liefer- oder Dienstleistungenund § 68 Beschaffung von Straßenfahrzeugendie ehemals in der VgV-alt unter § 4 (5 – 10) genannten Regelungen. Da mit diesen Vorgaben Richtlinien der EU umgesetzt worden sind, haben sich keine grundsätzlich relevanten Änderungen ergeben.

Vergabe an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen

§ 8 Nr. 16 a UVgO ermöglicht - wie auch bislang der alte § 3 Abs. 5 j) VOL/A die vereinfachte Vergabe an Werkstätten für Menschen mit Behinderungen im Rahmen der Verhandlungsvergabe; hinzu tritt die Möglichkeit der Vergabe an Sozialunternehmen (vgl. § 118 GWB); in beiden Fällen müssen die Voraussetzung des § 118 Absatz 2 GWB vorliegen, wonach mindestens 30% der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind. Oberschwellig kann diese Möglichkeit über die Ausschreibung eines „unterschwelligen Kleinstloses“ unter 80.000 Euro gem. § 3 Abs. 9 VgV ebenfalls genutzt werden, soweit der Wert 20 % des Gesamtauftragswertes nicht übersteigt.

Gesetzes- und Verordnungstext

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
BGBl I Nr.8 v. 23.02.2016 (nicht druckbar)

Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV)
BGBl I Nr.16 v. 14.04.2016 (nicht druckbar)
Das Dokument enthält auch die Aktualisierung der Sektorenverordnung, die neue Konzessionsvergabeverordnung und Vergabestatistikverordnung, sowie die Änderung der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit.

Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte ((Unterschwellenvergabeordnung – UVgO)
BMWi - Veröffentlichung vom 7. Februar 2017
weitere Informationen zur UVgO:
BMWi "Erläuterungen zur Unterschwellenvergabeverordnung"
- Veröffentlichung vom 5. Januar 2017


Informationen anderer Stellen

QuelleTitelLink
BMWiReform des VergaberechtsWebseite
UBANeue EU-Richtlinien für das Vergaberecht beschlossenDokument
bfubGütezeichenWebseite