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Vergaberecht und Nachhaltigkeit

Die Regelungen des Vergaberechtes bilden den Rahmen Ihrer Beschaffung. Das Vergaberecht wurde nun novelliert und mit dem 18. April in Kraft gesetzt. Dieser neue Rahmen bestimmt auch, welche Nachhaltigkeitsaspekte Sie auf welche Art und Weise in Ihre Beschaffung einfließen lassen können.
Im Folgenden wollen wir Ihnen daher einige Aspekte aufzeigen, bei denen das Vergaberecht Ihnen Möglichkeiten eröffnet, Nachhaltigkeitsaspekte in Ihre Beschaffung einfließen zu lassen und stellen Ihnen die Informationen und Links zum Thema gesammelt zur Verfügung.

Stand: 18. April 2016

Nachhaltige Aspekte im neuen Vergabereglement

Das öffentliche Auftragswesen beträgt etwa 18 % des europäischen BIPs (rd. 2,6 Billionen Euro). In Deutschland geben öffentliche Auftraggeber wie Bund, Länder und Kommunen jährlich zwischen 260 und 460 Milliarden Euro zur Beschaffung von Bau-, Dienst- und Lieferleistungen aus. Damit können öffentliche Auftraggeber ihre Beschaffungen als Hebel nutzen, um bestimmte gesellschaftliche Ziele zu erreichen. Dies sind unter anderem die Ziele der Nachhaltigkeit, auch als strategische Ziele bekannt.

So heißt es in der Vorlage zur Vergaberechtsmodernisierung (BT-Drucksache 18/7318 v. 20.01.2016):
„Die Vergabeverfahren sollen effizienter, einfacher und flexibler gestaltet und die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) an Vergabeverfahren soll erleichtert werden. Gleichzeitig ermöglicht es der neue Rechtsrahmen den Vergabestellen, die öffentliche Auftragsvergabe stärker zur Unterstützung strategischer Ziele zu nutzen. Dazu gehören vor allem soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte. Dies kommt gerade Unternehmen zugute, die ihrer Verantwortung bis hinein in die Produktions- und Lieferketten nachkommen, und setzt Anreize für Unternehmen, internationale Standards zur Unternehmensverantwortung einzuhalten (z. B. die ILO-Kernarbeitsnormen, ILO – Internationale Arbeitsorganisation).“

Im Weiteren finden Sie die wichtigsten Anknüpfungspunkte der nachhaltigen Beschaffung im neuen GWB und in der VgV.

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

In § 97 GWB sind die Grundsätze des Vergaberechts festgehalten. Wirtschaftlichkeit, Transparenz, Gleichbehandlung, Berücksichtigung von Mittelstandsinteressen, elektronische Vergabe und die Berücksichtigung von Qualität, Innovation sowie sozialer und umweltbezogener Aspekte haben dort Eingang gefunden. Dies bedeutet, dass diese Aspekte in jeder Phase eines Verfahrens einbezogen werden können: von der Definition der Leistung über die Festlegung von Eignungs- und  Zuschlagskriterien bis hin zur Vorgabe von Ausführungsbedingungen. Diese Verortung der Nachhaltigkeit stimmt mit der Stärkung des Themas im Vergaberecht überein, die 2014 auch in den Europäischen Vergaberichtlinien Einzug gehalten hat.

Auch hinsichtlich der Eignung werden soziale und ökologische Aspekte beachtet. Davon zeugt der neue § 124 GWB. Darin sind die fakultativen Ausschlussgründe enthalten. Demnach können – unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn
„1. das Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat, …
8. das Unternehmen in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen oder Auskünfte zurückgehalten hat oder nicht in der Lage ist, die erforderlichen Nachweise zu übermitteln, …
9. das Unternehmen …
c) fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln.“

Unter § 124 (9) Nr. 1 GWB fallen auch die ILO-Kernarbeitsnormen als Bestandteil des Anhangs X der Richtlinie 2014/24/EU. Erforderlich für das Bestehen eines Ausschlussgrundes nach Nr. 1 ist, dass der öffentliche Auftraggeber einen Verstoß gegen die Verpflichtungen nachweist. Ist der Verstoß nachgewiesen und hat ein betroffenes Unternehmen keine ausreichenden Maßnahmen zur Selbstreinigung nach §125 GWB ergriffen, darf es gem. § 126 Nr.2 höchstens 3 Jahre ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots und die Zuschlagserteilung wird in § 127 GWB behandelt. Auch hier sind die nachhaltigen Aspekte einbezogen worden: „Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.“
Wie auch schon bisher müssen die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Allerdings wird in § 127 (2) GWB im Detail darauf hingewiesen, dass diese Verbindung auch dann anzunehmen ist, wenn es sich um die Bereiche der Herstellung, Bereitstellung, Entsorgung, auf den Handel oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus  bezieht. Dies gilt auch, wenn hierbei keine Auswirkungen auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes feststellbar sind.
Künftig kann somit auf dieser Grundlage ein zu beschaffendes Produkt, das aus fairem Handel (z. B. durch die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen entlang der Produktions- und Lieferkette) stammt, im Rahmen der Zuschlagswertung mit einer höheren Punktezahl versehen werden als ein konventionell gehandeltes Produkt.
Wichtig für öffentliche Auftraggeber: Im Regelfall erfolgt die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots über eine wettbewerbliche Bewertung der Angebote anhand eines Preis-Leistungsverhältnisses. Die Zuschlagskriterien vom öffentlichen Auftraggeber sind mit einer Wertungsskala zu versehen und Kriterien für die Beurteilung im Rahmen dieser Wertungsskala festzulegen. § 127 (5) GWB legt fest, dass Zuschlagkriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen.

Auch nachdem der Auftraggeber den Zuschlag erteilt hat, kann er Unternehmen verpflichten, nachhaltige Aspekte bei der Auftragsausführung zu beachten. § 128 (2) GWB ermöglicht öffentlichen Auftraggebern neben anderen Belangen, auch umweltbezogene und soziale Aspekte bei der Auftragsdurchführung, folglich als Vertragsbedingung mit aufzunehmen. Wie auch beim Zuschlag müssen diese mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen benannt werden. Anders als bei den Zuschlagskriterien erfolgt bei den Auftragsausführungsbedingungen keine Wertung. Kann oder will der Bieter diese Bedingungen nicht beachten, ist das Angebot nicht zuschlagsfähig. Verletzt der Auftragnehmer die vertraglich festgehaltenen Bedingungen während der Vertragslaufzeit, liegt eine Vertragsverletzung vor. Als Folge können rechtliche Sanktionen in Betracht kommen.        

Die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV)

Erstmalig in der VgV werden nachhaltige Aspekte der Beschaffung in § 31 Leistungsbeschreibung benannt. Um die zu beschaffende Leistung zu konkretisieren und die in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen (gleicher Zugang der Unternehmen zum Vergabeverfahren, Öffnung des nationalen Beschaffungsmarktes für den Wettbewerb), enthält die Leistungsbeschreibung bestimmte Merkmale, die gem. Absatz 2 in einer Leistungs- oder Funktionsanforderung, einer  technischen Anforderungen oder in einer Aufgabenbeschreibung enthalten sind. Dabei ist auch eine Kombination möglich. Absatz 3 weist darauf hin, dass die Merkmale aus Absatz 2 neben anderen auch soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen können. Wie auch bei den Zuschlagskriterien können sie sich auch auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus des Auftragsgegenstandes beziehen. Wiederum müssen diese Aspekte keine materiellen Bestandteile der Leistung sein, sofern sie in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und in Bezug zu Wert und Beschaffungszielen verhältnismäßig sind.

Öffentliche Auftraggeber können aufgrund § 34 Nachweisführung durch Gütezeichen die Vorlage solcher Zeichen verlangen, die als Beleg für die in der Leistungsbeschreibung geforderten Merkmale gelten. Das Gütezeichen muss verschiedenen Bedingungen genügen. Dazu gehört unter anderem, dass es für die Bestimmung der Merkmale der Leistung geeignet ist und nach § 31 (3) VgV mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung steht. Die Kriterien des Gütezeichens müssen objektiv nachprüfbar und nicht diskriminierend sein. Aus den Bedingungen geht hervor, dass davon ausgegangen werden kann, dass Gütezeichen der EU und auch nationale Gütezeichen diese Bedingungen erfüllen. Hierzu gehören das EU Ecolabel, der Blaue Engel, das Österreichische Umweltzeichen und auch das Nordische Umweltzeichen/„Nordic Swan“ (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
Sind nicht alle Kriterienanforderungen eines Gütezeichens zu berücksichtigen, sind diese durch den öffentlichen Auftraggeber anzugeben. Wichtig: Der öffentliche Auftraggeber muss auch andere Gütezeichen akzeptieren, wenn sie gleichwertige Anforderungen an die Leistung stellen.

Als Belege der Einhaltung von Normen der Qualitätssicherung und des Umweltmanagements kann der Auftraggeber sich nach § 49 (2) VgV  unter anderem auf das Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung EMAS der EU beziehen. Auch hier gilt, dass gleichwertige Bescheinigungen von Stellen in anderen Staaten anerkannt werden müssen.

§ 58 Zuschlag und Zuschlagskriterien weist darauf hin, dass der Zuschlag nach Maßgabe des § 127 GWB auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird. Als Grundlage hierzu wird das beste Preis-Leistungsverhältnis angeführt, wobei neben dem Preis unter anderem auch umweltbezogene und soziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden können. Wenn der öffentliche Auftraggeber einen Festpreis oder Festkosten festlegt, kann das wirtschaftlichste Angebot auch ausschließlich nach umweltbezogenen oder sozialen Zuschlagskriterien bestimmt werden.

Lebenszykluskosten waren im alten Vergabereglement nur sporadisch zu finden. So waren diese beispielhaft in § 34 (3) Nr. 5 VgV-alt, oder auch in § 19 (VOL/A – EG) als Zuschlagskriterium aufgeführt. Die neue Vergabeverordnung behandelt das Thema ausführlich in § 59 Berechnung von Lebenszykluskosten. Wenn der öffentliche Auftraggeber sie anwenden möchte, muss er das Zuschlagskriterium „Kosten“ auf Grundlage von Lebenszykluskosten vorgeben. Zudem muss er die zur Berechnung erforderliche Methode und die dazu notwendigen Informationen, die das Unternehmen bereitstellen muss, in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angeben. Absatz 2 zählt mögliche Bestandteile der Lebenszykluskosten auf: Anschaffungskosten, Nutzungskosten (insbesondere Energie- und Ressourcenverbrauch betreffend), Wartungskosten und Kosten am Ende der Nutzungsdauer (insbesondere Abholungs-, Entsorgungs- oder  Recyclingkosten). Aus der Nachhaltigkeitssicht hervorzuheben ist die Einbindung von Kosten, die durch externe Effekte der Umweltbelastung entstehen. Diese müssen mit der Leistung während ihres Lebenszyklus in Verbindung stehen. Hier ist zu beachten, dass diese Kosten nach Absatz 3 bestimmt und geprüft werden können. Neben sonstigen Kosten für die Eindämmung des Klimawandels werden als Beispiele insbesondere Emissionen von Treibhausgasen und anderen Schadstoffen benannt. Die vom öffentlichen Auftraggeber nach Absatz 1 vorgegebene Kostenberechnung auf Grundlage der Lebenszykluskostenberechnung muss gemäß Absatz 3 eine Berechnungsmethode nutzen, die verschiedene Bedingungen erfüllt, wie zum Beispiel:

  1. Die Methode beruht auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien.
  2. Sie ist für alle interessierten Beteiligten zugänglich und
  3. die Unternehmen, die ihrer Sorgfaltspflicht im üblichen Maße nachkommen, müssen mit angemessenem Aufwand die zur Berechnung erforderlichen Informationen bereitstellen können.

Absatz 4 weist abschließend darauf hin, dass wenn eine Berechnungsmethode durch einen Rechtsakt der EU verbindlich vorgeschrieben ist, der öffentliche Auftraggeber diese vorzugeben hat.

Der Abschnitt IV „Besondere Vorschriften für die Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Leistungen und von Straßenfahrzeugen“ beinhaltet mit den §§ 67 Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Liefer- oder Dienstleistungen und 68 Beschaffung von Straßenfahrzeugen die ehemals in der VgV-alt unter § 4 (5 – 10) genannten Regelungen. Da mit diesen Vorgaben Richtlinien der EU umgesetzt worden sind, haben sich keine grundsätzlich relevanten Änderungen ergeben.

Gesetzes- und Verordnungstext

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
BGBl I Nr.8 v. 23.02.2016 (nicht druckbar)

Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV)
BGBl I Nr.16 v. 14.04.2016 (nicht druckbar)
Das Dokument enthält auch die Aktualisierung der Sektorenverordnung, die neue Konzessionsvergabeverordnung und Vergabestatistikverordnung, sowie die Änderung der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit.

Informationen anderer Stellen

QuelleTitelLink
BMWiReform des VergaberechtsWebseite
UBANeue EU-Richtlinien für das Vergaberecht beschlossenDokument
bfubGütezeichenWebseite